»Was die meisten an Depressionen nicht verstanden, war, dass es sich nicht bloß um ein einfaches Traurigkeit handelte. Nein. Depressionen waren tiefe Verzweiflungen, große Einsamkeit und endlose Antriebslosigkeit.« (2. Kapitel)
- 2. Teil einer Trilogie (bislang)
- (Softcover), eBook
- (12,99 Euro), 2,99 Euro
- Originalausgabe
- Erscheinungsdatum: 05.05.2021
- Seiten: 330
Klappentext
Seit mehr als sechs Jahren ist mein erstes Gefühl nach dem Aufwachen – Panik.
Es graut mir vor dem Tag. So sehr, dass ich sofort wieder die Augen schließe und mir wünsche, nie wieder aufzuwachen.
Das Schlimme daran? Ich dachte, es wäre normal.
Wie meine Geschichte weitergeht?
Ein verflucht ehrlicher Mann will mir zeigen, wie ich mich selbst retten und mein Leben wieder farbenfroh gestalten kann. Leider holt mich meine bedrohliche Vergangenheit ein und eine Stimme in mir flüstert unablässig: „Vielleicht wärest du doch besser nie wieder aufgewacht.“
Die Verschlossene und der, der niemals die Klappe hält.
Eine Liebesgeschichte zwischen ihr und ihm.
Zwischen ihr und sich selbst.
Amira, Kacey Youngs Protagonisten in ihrem zweiten, seelenkratzenden Teil »Heart of Scars«, ist ein gebrochener Mensch. Ein traumhaftes Erlebnis, ein Autounfall, den ihr Verlobter nicht überlebte, verändert ihr komplettes Leben. Eine Schwangerschaft vor ihrem achtzehnten Geburtstag. Amira hat mehr erlebt als der Ottonormalverbraucher und sich als Konsequenz immer tiefer in das schwarze Loch ihrer Existenz zurückgezogen. Von selbstgefügten Narben und den Zeichen eines Selbstmordversuches gezeichnet, versucht sie ihr Leben irgendwie zu stemmen. »Ich bin ein sehr labiler Mensch und ich tue nichts in meinem Leben, das meinen wackeligen Zustand gefährden könnte.« (2. Kapitel)
Kacey Young entführt den Leser in den dunklen Abgrund von Amiras zersplitterter Seele. Amira ist ein starker Mensch, ihre Schicksalsschläge, die den Leser nach und nach immer mehr schockieren und ihr penetrantes Ünnötigfühlen sorgen für eine Wut, die Spannung und Lesefluss vereint. Am liebsten möchte man Amira umarmen; und Amira selbst möchte es sogar: »Natürlich, ich hielt die Menschen auf Abstand, wünschte mir aber gleichzeitig, sie würden mich einfach mal richtig in die Arme schließen.« Doch die Welt ist grausam, die Vergangenheit eine lauernde Hyäne, die Amiras einst buntes Leben in tiefes Schwarz spiegeln, was sich auch an ihrer Kleidung erkennen lässt. Wortbuilding und Schreibtechnik verweben sich zu einem Fluss der Gefühle, die mitreißend und einen Sog verursachen, dem man sich nur schwer entwinden kann.
Amira ist ein fantastisches Mädchen, das verdeutlicht uns Kacey Young nur zu gut, denn vor allem Chazz scheint durch den Nebel ihrer chronischen Depression zu gucken: »Vermisst du das sorglose Mädchen, das du einst warst? Denn ich tue es.« (Kapitel 9) Chazz Aufopferung und bedingungsloses Handeln aus Liebe und Freundschaft zu einem Mädchen, einer jungen Frau, die von unsichtbaren Leinen in die Tiefe gezogen wird. Aber Chazz ist da, und Chazz lässt den Leser hoffen. Er versucht Amira zu überzeugen, sich zu sehen, wie sie wirklich ist: Eine fantastische Mutter, ein liebevoller und sympathischer Mensch und nicht als das schwarze Schaf der Familie, als das sie sich sieht. Chazz bringt Farbe in ihr trübes Leben und der Heilungsprozess lässt den Spannungsbogen auffahren: »Chazz hatte genug unter meinen Depressionen gelitten. Heute würde ich damit anfangen, Wiedergutmachung zu leisten.« (Kapitel 7). Die Autorin lässt uns teilhaben an Amiras langsamer Heilung, wie sie langsam die tiefe Schlucht überwindet, Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sich an ihre Seite gesellen und ihr unter die Arme greifen, bis sie sogar wieder lachen kann: »Alter, verdirb mir nicht meine schlechte Laune« (2. Kapitel).
Chazz ist der Wendepunkt in ihrem Leben. »Ich dachte immer, dass mir andere Menschen auf meinem Selbstfindungsweg im Weg stehen würden. Daran, dass sie mir den Weg weisen konnten, hatte ich nie gedacht.« Er ist selbst kompliziert, er handelt, wie er denkt, dass es richtig sei, er behandelt Amira gleichzeitig mit Samthandschuhen aber auch verdeutlicht er ihr die Realität: Er ist der Mensch, der ihr zeigt, dass es auch Menschen gibt, die Amira sehen und nicht ihre Krankheit. Kacey Young illustriert Amiras Weltbild, das sowohl von Realismus als auch Fantasie geprägt ist. Sie zeigt auf, wie leicht es ist, einfach aufzugeben. Aber auch, dass Kämpfen sich lohnt. Denn nicht nur Amira selbst hat zu kämpfen, auch Chazz: »Die Depression hatte Amira kleingekriegt und ich hatte sie nie als schwachen Menschen empfunden«, denn er habe ihr öfter gesagt, er sei stärker als die Depression und er würde es packen, doch jetzt sei er sich nicht mehr sicher (vgl. Kapitel 25).
Im Vergleich zum ersten Teil sind die Figuren deutlich stärker. Sie wirken realistischer, plastischer, haben selbst Ecken und Kanten. Amira und Chazz sind wie die Elemente Wasser und Luft: Wenn sie sich vereinen, entsteht ein Regenbogen, entsteht Harmonie, trotz ihrer elementaren Unterschiede.
Eloquentes Wortbuilding, ein flüssiger Schreibstil und die Thematisierung eines gesellschaftlichen Tabu-Themas heben den Roman ein weiteres Mal hervor, vor allem, da unsere Gesellschaft solche Romane braucht. Die bewegen, die die Welt hinter den Kulissen zeigen. Jedes Mauerblümchen hat Wurzeln, die tief in eine schmerzhafte Vergangenheit graben können. Doch nicht jeder schafft es aufzublühen.
Also, finalmente, kann ich sagen, dass ich wirklich zufrieden bin. Was ich noch im ersten Teil angemerkt habe, tauchte deutlich weniger oft, oder sogar gar nicht mehr auf und zeigt noch einmal, dass Kacey Youngs Romane wirklich lesenswert sind; nicht zuletzt durch die Themen, die jedes Quäntchen Seele in einem bewegen.
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